St. Pauli Auswärts

3 10 2010

Der folgende Bericht schildert meine Sichtweise des Derbytages, abweichende Beobachtungen dürfen gerne per Kommentar hinzugefügt werden.

Nach Jahren des Wartens endlich wieder ein Spiel am Millerntor. Das große Hamburg Derby stand an und nicht nur die Fanszenen beider Vereine waren vor Aufregung nicht mehr zu bremsen, auch die deutsche Presse und viele Unbeteiligte Fußballfans (sog. Hopper) erging es nicht anders. Das Spiel sorgte im Vorfeld bereits für ordentlichen Zündschstoff und die Stimmung auf allen Seiten war bis zum äußersten angespannt. Schuld dafür war auch die Presse die zuerst das Derby zu einem „Fankrieg“ hochredete und danach  versuchte die beiden Vereine als befreundet darzustellen. An dieser Stelle noch mal : vernünftige Rivalität schadet niemanden!

Los ging die Tour bereits um kurz nach 6 Uhr morgens, den man wollte für dieses besondere Spiel schon sehr früh in der Freien Hansestadt Hamburg sein. Es folgten knappe 4 Stunden langweiliger Zugfahrt bzw. Rumstehen auf dem Bahnhof. Paulianer sowie Polizisten konnten nicht gesichtet werden. Somit kann man von einer sehr ruhigen Hinfahrt sprechen.  Einzig und allein die Rentner, die den ganzen Zug bevölkerten nervten, da sie leise tuschelt ihr Meinung von sich gaben wie schlimmer Gewalttäter wir HSV Fans doch sind und ob man sich nicht in ein anderes Abteil setzten sollte.  Wohl gemerkt waren wir zu zweit und gaben diesen Herrschaften keinerlei Anlass so welche Vermutungen zu tätigen. Danke Deutsche Presse!!!

In Hamburg angekommen trafen wir dann aus Zufall auf ein paar Bekannte von vor 2 Wochen in Frankfurt. Auch der restliche HBF war voller HSV’ler. Hier und dann eine einzelne Zecke die sich aber schnell vom HBF entfernte. Mit der U-Bahn ging es weiter nach Altona. Hier traff sich der komplette harte Kern der Fanszene, um zusammen in Form eines Fanmarsches in St. Pauli einzufallen. Punkt um 12:30 ging es dann los. Umstellt von der Polizei mehrere Einsatzwagen und einer Reiterstaffel von ca. 40 Reitern ging es dann nach einer kleinen Ansprache unseres Vorsängers/Capós los Richtung Reeperbahn. Der Marsch setzte sich in Bewegung, sofort kam super Stimmung auf – Hamburg war motiviert. Nach einem Böller und einem Leutspurgeschoss stoppte die Polizei dann den Fanmarsch nach ca. 3 Minuten um dann mittels Lautsprecherwagen durchzusagen, dass man Pyrotechnik nicht dulden würde. An dieser Stelle sei angemerkt, das zünden von Böllern ist sowieso dumm, aber in einer Menschenmasse mit extrem aufgeregter Polizei ist dies einfach nur noch sau dämlich. (Gegen das verantwortungsvolle Zünden von Bengalos, Blinkern und Rauchbomben (in Vereinsfarben) habe ich jedoch nichts. ) Nach einigen Zwischenstopps der Polizei (5-20min), die nicht angesagt wurden geschweige den erklärt wurden ging es dann weiter Richtung Reeperbahn. Die Stimmung verflachte immer mehr und Aggression und Wut auf den falsch geplanten Polizeieinsatz kam auf. Kurz vor dem Viertel St. Pauli schlug die Stimmung gänzlich um. Dort warteten insgesamt 4 Wasserwerfer auf uns, die sicherstellen sollten das es keine Gewaltausschreitungen gibt. Auch die Zahl der Polizisten hatte sich verdoppelt, so dass der Fanmarsch komplett an allen Seiten mit einer Doppelten Polizeikette eingeschlossen werden konnte. Auf der Reeperbahn wurde dann der Fanmarsch endgültig gestoppt. Die Polizei wollte damit erzwingen, jegliches zünden von Pyrotechnik zu unterlassen, den zwischenzeitlich war das Viertel „in das Magische Licht der Bengalfackeln getaucht“ (wie es so schön heißt) und mehrer blaue Rauchsäulen stiegen auf. Für mich ein schönes Bild, mit ungeahnten folgen. Die Polizei beschloss nach einer halben Stunde des Wartens, alle  Teilnehmer des Marsches nach Pyrotechnik zu durchsuchen. Was jetzt passiert ist eigentlich total logisch: Jeder der Pyrotechnik bei sich hatte ließ dieser entweder verschwinden oder zündete. Die Polizei ließ in Folge dessen die Wasserwerfer auffahren und gab (für uns leider nicht zu hören) an, dass sich alle Unbeteiligten zu entfernen haben. Mal ganz davon abgesehen, dass man diese Durchsage nicht gehört hat, konnte man sich nicht entfernen, da in einem Polizeikessel gefangen war.  Es folgte der Einsatz von 4 Wasserwerfern auf eine Menge die zu 99% nichts getan hatte und keine Verbrechen begangen hatte. Dies ist ein Verstoß gegen das Grundgesetz und die Würde des Menschen in 2000 Fällen. Später sagte eine Polizisten zu mir: “ Wir mussten ja schließlich die Bengalos löschen“ – ja ne ist klar. Auch die Leute die sich an die Häuserwände druckten und sich nur in Sicherheit bringen wollten wurden voll vom Wasserwerfer erwischt. Mitten in dieses Chaos brach dann noch die BFE ein und versuchte einzelne „Straftäter“ zu verhaften. Die BFE Beamten nahmen auf dem Weg in die Masse und zurück keine Rücksicht auf Unbeteiligte, und so fand auch ich mich von einem Holz-Schlagstock in den Rücken geschlagen schnell am Boden wieder.  Das einzige was mir im Nachhinein noch zu diesem Polizeieinsatz einfällt ist, das ich Menschen die laut „ACAB“ brüllen, seit diesem Tag perfekt verstehe.

Es folgte eine Ganzkörperdurchsuchung mit Schuhe ausziehen usw. Der Polizist der mich untersuchte fand besondern gefallen an meiner Taschentuchpackung die ich in meiner hinten Jeanstasche verschaut hatte. Der Polizist fummelte fast eine Minute (51 Sekunden um genau zu sein) an meinem Hintern rum. Ein Schelm wer dabei böses denkt. Rausnehmen durfte ich die Packung jedoch nicht. Und als dann ein Freund von mir von hinten rief: „ACHTUNG er hat ein Packung Temos“  zuckte der Polizist leicht zusammen und ließ schließlich von mir ab.

An Pyrotechnik wurde während der gesamten Untersuchung nichts gefunden, und so nahm die Polizei aus Frust ein paar Leute in Gewahrsam die Handschuhe bei sich hatten (Handschuhe = Prügeln = Dumme Polizei). Nun konnte sich der Fanmarsch fortsetzten, dies war auch gut so, denn bis zum Spiel waren es nur noch 45 Minuten und das dauernde bespuckt werden und mit eiern-beworfen werden hat auf die Dauer dann noch genervt…. Gegen diese Art von „Verbrechern“ unternahm die Polizei nichts und stand nur dumm daneben. Schließlich sind die St. Paulifans die Guten – stand ja auch so in der Mopo…

Nun setzte sich der Fanmarsch wieder in Bewegung. Doch statt langsamen Gehen wurde jetzt das letzte Stück der Reeperbahn Richtung Heiligengeistfeld – Millerntor im Sprint bewältigt die Polizei war total überfordert. Den Rest meiner Gruppe hatte ich bereits verloren, als es in Richtung Gästeblock ging. Wer jetzt aber gedacht hat das Rennen würde vor dem Gästeblock aufhören, der sah sich getäuscht. Die Ordner wurden kurzer Hand zur Seite gedrängt, das Stahltor vor dem Gästeblock wurde aufgebrochen und auch die Polizeieinheiten mit Tränengasspray wurden zur Seite gedrängt. So konnten rund 400-500 Leute ins Stadion kommen – viele von ihnen ohne Karten. Ob diese Aktion nun sinnvoll gewesen ist werde ich nicht bewerten, ich hatte ein Ticket und halte mich da raus. Im „Gästeblock“ angekommen folgte ein Pfeiffkonzert der Paulianer. Der Gästeblock war einen einzige Schlammwiese und die Sicht war unter aller Sau. Dafür hätte ich in keinem anderen Bundesligastadion Geld bezahlt.

Auf unsere Seite gab es eine riesige Blockfahne + Spruchband gefolgt von einem Meer aus Fahnen, Luftballons, Wurfrollen und Konfetti. Diesem Meer folgten 3 riesige blau Rauchbomben, die das ganze Stadion in unsere Farben hüllten. Auf Pauli seit gab es auch einiges an Konfetti und Luftballons, ich hatte mir jedoch deutlich mehr erwartet, vor allem weil jede Tribüne ihr eigens Süppchen kochte und ihre eigene Choreo (von extrem schlecht bis gut) präsentierte. Eine geschlossene Fanszene sieht anders aus.  Die Stimmung auf beiden Seiten war schlecht. Da gibt es nichts schön zu reden. Bei einem Derby mit diesem Charakter muss die Mitmachquote in beiden Kurven bei 100% liegen da gibt es kein wenn und aber dies wurde von beiden Kurven nicht erreicht, warum auch immer.  Kurz nach der Halbzeit wurde dann ein Haufen geklauter Zaunfahnen und Material von Pauli gezeigt und verbrannt. Auf der Gegenseite konnte nichts gesichtet werden.

Das Spiel des HSV war einfach enttäuschend. Wenn das Kampf und Einsatz für das wichtigste Spiel seit Jahren ist dann bereite ich mich schon mal auf die 2 Liga vor. Eine Mannschaft ohne Gewissen und ohne Leidenschaft, schaffte es noch mit einem blauen Auge und einem 1:1 davon zu kommen. Maßlose Enttäuschung auf beiden Seiten machte sich breit.

Nach dem Spiel folgte eine Blocksperre von ca 10 Minuten. Alles lief friedlich ab, es gab keine Komplikationen. Doch als man aus dem Stadion ging erwartete uns bereits ein USP-Mob desssen Zahl von 30 auf 100 schwankte. Sofort begannen die vermummten USP Affen Steine und Flaschen zu werfen und durch die Polizeikette durchzubrechen. Auch normale Paulianer beteiligten sich mit Provokation und Gewaltanwendung. Die Polizei reagierte in dem sie die HSV Fans die sich zum Teil selbst verteidigten, aber auch zum Teil die Paulianer angriffen, mit Wasserwerfern, Schlagstöcken zuzusetzen. Die USP Menschen wurden größtenteils in Ruhe gelassen und durfte „neben uns her gehen“. Es folgte was passieren musste: Die ganze Strecke lang versuchten die beiden Fangruppen aneinander zu kommen, dies gelang nur mit mäßigen Erfolg. Trotzdem spielten sich Szenen ab, die alles andere als schön waren.  Vor mir wurde ein Mann mit einer Flasche am Kopf getroffen und brach blutend zusammen. Gleich danach erwischte es mich auch, aber noch lange nicht so schlimm, so dass ich weitergehen konnte.

Kurz vor der Reeperbahn wurden die Gästefans aus dem Stadion dann Richtung St. Pauli Landungsbrücken geschickt. Einige versuche doch noch auf den Kiez zu kommen scheiterten.  An der U-Bahn Station löste sich dann der Mob auf und ich konnte unbehelligt zum HBF fahren. Dort musste ich dann noch 1,5 Stunden auf meiner Freunde warten die auf dem Kiez eingekesselt waren. Vom Hbf ging es dann ohne Probleme zurück, so dass man gegen halb 2 das „Provinzdörflein“ im Harz wieder „bestaunen“ konnte.

Weiter  „Vorkommnisse“ die ich selbst nicht miterlebt habe, da ich Stadion war und nicht auf dem Kiez das Spiel verfolgt habe:

  • Schwere Ausschreitungen nach dem Spiel auf dem Kiez mit Wasserwerfereinsatz
  • HSV’ler greifen  das Jolly Roggers an
  • Gerüchte über ein mögliches C-ler treffen